Magazine Ernst 2023

Magazine Ernst 2023

Text: Carole Bolliger

Gerade in der modernen Arbeitswelt, in der Kreativität, Kommunikation und Konzentration den Erfolg der Arbeit bestimmen, sind unsichtbare Faktoren oft massgebend. «Vor allem in offenen Bürostrukturen spielt die Raumakustik eine zentrale Rolle.» Philipp Ryser, Experte für Raumakustik, ist aufs Schaf gekommen. Und das, obwohl er niemals gedacht hätte, jemals mit Schafen zu tun zu haben. Für die WOOPIES-Akustikelemente, die er in der Schweiz vertreibt, werden jährlich rund 20 Tonnen Schweizer Schafwolle verarbeitet.

Philipp Ryser, wofür steht WOOPIES?
WOOPIES wird zusammengesetzt aus den englischen Wörtern Wolle (Wool) und Stücke (Pieces), also Wollstücke. Friedrich Baur ist Erfinder und Eigentümer von WOOPIES. Er vertritt bereits die vierte Generation der Familie Baur, die seit 1913 in der Wollverarbeitung tätig ist. Zudem ist er Mitbegründer von Swisswool. Vor einigen Jahren hatte er die Idee, Schafwolle in Raumakustikelementen einzusetzen. Da er aber mit diesen Elementen noch wenig Erfahrung hatte, haben wir ihn bei der Produktentwicklung unterstützt. Die WOOPIES-Produkte haben wir mit unserem Fachwissen alle mitentwickelt.

Werden WOOPIES in der Schweiz produziert?
Die Schafwolle stammt zu hundert Prozent aus der Schweiz. Die gesammelte Wolle wird in eine Wollwäscherei in Belgien gebracht und dort gereinigt. In der Schweiz haben wir leider keine Wäscherei mit der nötigen Kapazität, die ganze Wolle zu waschen. Nach der Wäsche – bei der die Wolle die Hälfte ihres Gewichts verliert, weil das meiste darin Dreck und Fett ist – geht das saubere Material in die Produktion, wo es verarbeitet, gepresst, zugeschnitten und je nach Wunsch gefärbt wird. Friedrich Baur weiss alles, was man über Schafwollverarbeitung wissen kann, und er hat die richtigen Maschinen dafür.

Sie sprechen die Menge an Schafwolle an, die Sie brauchen. Wie viel ist das konkret?
Für unsere WOOPIES verarbeiten wir jährlich rund zwanzig Tonnen Schweizer Schafwolle.

Zwanzig Tonnen sind eine ganz schöne Menge. Züchten Sie die Wolllieferanten selbst?
Nein, selber habe ich keine Schafe und ich hätte auch nie im Leben gedacht, dass ich mal etwas mit Schafen zu tun habe. Aber mittlerweile besteht mein Leben fast nur noch aus Schaf (lacht). Wir beziehen unsere Schafwolle von Swisswool. Ein Verein, der gut 350 Tonnen Schafschurwolle jährlich von Schweizer Bauern kauft und diese weiterverarbeitet oder an andere Hersteller verkauft. Noch vor etwa zehn Jahren war Schafschurwolle nur ein «Abfallprodukt», das oft verbrannt oder kompostiert wurde. Um diese Ressourcenverschwendung zu beenden und die Schweizer Wolle vollumfänglich zu verwerten, wurde 2010 dieser Verein gegründet, in dem auch ich Mitglied bin. Wichtig ist Swisswool, dass alles, was beim Scheren anfällt, zu hundert Prozent verwertet wird.

Schafwolle ist in Sachen Nachhaltigkeit unschlagbar: Egal ob es regnet, schneit oder die Sonne scheint – Wolle wärmt und kühlt. Was sind weitere Vorteile von Akustikelementen aus Schafwolle im Vergleich zu anderen Materialien wie Glasfaser oder Polyester?
Wolle ist ein faszinierendes Material. Sie ist nicht nur nachwachsend und vollumfänglich biologisch abbaubar, sie besitzt auch multifunktionale Eigenschaften, die mit synthetischen Materialien nicht nachzuahmen sind. Sie kann Temperatur und Feuchtigkeit regulieren, Gerüche und Schadstoffe neutralisieren oder Schall absorbieren. Polyester, auch wenn es recycelt wurde, ist und bleibt Plastik.

Akustikelemente aus Schafwolle sind vielseitig einsetzbar. Ziemlich sicher bin ich schon an einem solchen Element vorbeigelaufen – unbewusst. Wo werden Ihre Produkte am häufigsten eingesetzt?
Achtzig Prozent unserer Proddukte werden in Büroräumlichkeiten eingesetzt, immer mehr auch im öffentlichen Bereich, in der Hotellerie und Gastronomie – wobei es dort noch grosses Potenzial hat – und einen ganz kleinen Teil machen private Kunden aus. Der Markt der Akustikelemente ist riesengross. Wir sind da nur ein Nischenplayer, aber trotzdem stark gewachsen in den letzten Jahren.

Wie können WOOPIES in das Design eines Raumes integriert werden?
Dadurch dass Formen und Farben mehrheitlich grenzenlos sind, ist praktisch alles möglich: ob als Akustikelement direkt an der Wand, mit oder ohne Abstand montiert, von der Decke hängend als Deckensegel oder Raumtrenner – die Installation von WOOPIES gestaltet sich vielfältig und ist dank eines raffinierten Systems leicht zu realisieren. Die richtige Menge und Platzierung der Produkte ist dabei entscheidend.

Sie bieten auch Akustikbilder mit Schafwolle an – ist das eine neue Kunstform?
Nein, das gibt’s schon länger und ist einfach eine Mehrleistung. Damit haben wir auf Kundenwunsch angefangen. Es spricht viele Leute visuell an.

Welche zukünftigen Entwicklungen gibt es im Bereich der Akustikelemente aus Schafwolle?
Bei den Kreationen wollen wir noch nachhaltiger werden. Wo können wir Wege und Energie einsparen? Ein grosses Thema ist immer wieder der Brandschutz, weil wir unsere Produkte bei Fluchtkorridoren und -wegen nicht einsetzen können. Da können wir mit Mitbewerberprodukten aus Stein- und Glaswolle noch nicht mithalten. Aber das wollen wir sicherlich weiterverfolgen und versuchen, eine Lösung zu !nden. Ein weiteres Ziel ist, die Wollwäscherei und Produktion näher zusammenzubringen, um nicht mehr so lange Transportwege zu haben

Sie haben es vorher selbst angetönt: Heute besteht Ihr Leben fast nur noch aus Schaf. Verwenden Sie das Material auch privat? Muss ich mir Ihre Wohnung wie eine Wolke vorstellen?
(Lacht laut.) Ja, das muss man sich mittlerweile wirklich. Ich habe einen Teppich aus Schafwolle, schlafe natürlich nur mit Schafwolle: Meine Matratze, Bettdecken und Kissen sind mit diesem Material gefüllt. Auch meine ganze Akustiklösung besteht aus Schafwolle. Jacken im Sportbereich sind gefüllt mit Schafwolle. Es ist einfach ein geniales Material. Ich lebe das richtig. (Zeigt auf die Glasuntersetzer, die auf dem Tisch liegen. Natürlich sind auch diese aus Schafwolle.)

Schafe leben in Herden. Sind Sie auch ein Herdentier oder eher der einsame Wolf ?
Privat bin ich eher der einsame Wolf.

Sie sind Geschäftsinhaber, seit 27 Jahren Akustikfachberater und haben vier Mitarbeitende. Kriegen Sie sich auch manchmal in die Wolle?
Nein. Wir kennen uns alle schon sehr lange und haben ein familiäres Verhältnis. Loyalität, offene Kommunikation und totale Transparenz gehen mir über alles

Zählen Sie zum Einschlafen noch Schafe?
Nein, nie. Die, die ein reines Gewissen haben, können gut einschlafen.

Related Posts